J.C. RYLE (1816-1900)
[Auszüge] Lasst mich also zunächst eine Definition des Götzendienstes geben, lasst mich zeigen, was er ist.
Es ist von äußerster Wichtigkeit, dass wir dieses verstehen. Wenn ich das nicht deutlich mache, kann ich mit dem Thema nichts anfangen. Verschwommenheit und Undeutlichkeit herrschen dabei vor, wie bei beinahe jedem anderen in der Religion. Der Christ, welcher wünscht, nicht beständig in seiner geistlichen Reise zu stranden, muss seinen Kanal gut markiert haben, und seinen Geist mit klaren Definitionen gut eingedeckt haben.
Ich sage somit, dass Götzendienst eine Anbetung ist, in welcher die Ehre, welche dem dreieinigen Gott gebührt und nur Gott, einem seiner Geschöpfe gegeben wird, oder einer Erfindung Seiner Geschöpfe.
Da gibt es Unterschiede. Er kann verschiedene Formen annehmen, nach Unkenntnis oder Wissen - der Zivilisation oder des Barbarentums derer, welche ihn anbieten. Er mag äußerst absurd oder lächerlich sein, oder er mag eng an die Wahrheit grenzen und sehr oberflächlich verteidigt werden. Aber ob in der Anbetung des Götzen Juggernaut oder in der Anbetung des Papstes von St. Peter in Rom, das Prinzip des Götzendienstes ist in Wirklichkeit dasselbe. In jedem Fall wird die Ehre, die Gott gebührt, von Ihm weggenommen und dem gewidmet, was nicht Gott ist. Und wann immer das getan wird, ob in heidnischen Tempeln oder in Kirchen von Namenschristen, das ist eine götzendienerische Handlung.
Es ist für einen Menschen nicht erforderlich, Gott und Christus formal zu verleugnen, um ein Götzendiener zu sein. Weit davon entfernt. Zur Schau getragene Anbetung des Gottes der Bibel und tatsächlicher Götzendienst passen perfekt zusammen. Sie wurden oft Seite an Seite gemacht, und das geschieht auch heute. Die Kinder Israels dachten nie daran, Gott zu entsagen, als sie Aaron davon überzeugten, das goldene Kalb zu machen. „Das sind eure Götter", sagten sie, „die dich aus dem Land Ägypten heraufgeführt haben!" Und das Fest zu Ehren des Kalbes wurde „ein Fest für den HERRN!" genannt (2 Mose 32,4.5).
Auch Jerobeam gab nie vor, die zehn Stämme aufzufordern, sich ihrer Ergebenheit dem Gott Davids und Salomons gegenüber zu entledigen. Als er die goldenen Kälber in Dan und Bethel aufstellte, sagte er nur, „Es ist zu viel für euch, nach Jerusalem hinaufzuziehen! Siehe, das sind deine Götter, Israel, die dich aus dem Land Ägypten herausgeführt haben" (1 Kön 12,28).
In beiden Fällen sollten wir beachten, das Götzenbild war nicht als Rivale Gottes aufgestellt worden, sondern unter dem Vorwand, eine Hilfe zu sein - ein Trittstein für Seinen Dienst. Aber in beiden Fällen wurde eine große Sünde begangen. Die Gott gebührende Ehre wurde einer sichtbaren Repräsentation Seiner gegeben. Die Majestät von Jehova wurde beleidigt. Das zweite Gebot wurde gebrochen. Das war, in den Augen Gottes, ein ungeheuerlicher Akt des Götzendienstes.
Lasst uns darauf gut Acht geben. Es ist höchste Zeit, jene verstreuten Ideen über Götzendienst aus unserem Verstand zu verbannen, welche in diesen Tagen üblich sind. Wir dürfen nicht denken, wie es viele tun, dass es nur zwei Arten von Götzendienst gibt - der geistliche Götzendienst des Mannes, welcher seine Frau oder sein Kind oder Geld mehr als Gott liebt, und der offene, derbe Götzendienst des Menschen, welcher sich vor einem Bild aus Holz, Metal, oder Stein niederbeugt, weil er es nicht besser weiß. Wir können versichert sein, dass Götzendienst eine Sünde ist, welche ein deutlich größeres Feld einnimmt als das. Es ist nicht nur eine Sache in heidnischen Ländern, von denen wir hören mögen und Mitleid bei einem Missionarstreffen; auch ist es keine Sache, die auf unsere eigenen Herzen beschränkt ist, dass wir uns vorm Gnadenthron auf unseren Knien schuldig bekennen mögen. Es ist aber eine Seuche, welche in die Gemeinde des Lebendigen Christus in viel größerem Ausmaß hineingeht, als man annehmen mag. Es ist etwas Böses, das, wie der Mensch der Sünde, „sich in den Tempel Gottes setzt als ein Gott und sich selbst für Gott ausgibt" (2 Thes 2,4).
Es ist eine Sünde, auf die wir alle aufpassen, und gegen welche wir beständig beten müssen. Er schleicht sich in unsere religiöse Anbetung unbemerkt ein, und ist über uns, bevor wir uns dessen bewusst sind. Das sind die schrecklichen Worte, welche Jesaja den treuen Juden ausrichtete - nicht den Baalsanbetern, erinnert euch, sondern dem Mann, der tatsächlich in den Tempel kam (Jes 66,3): „Wer einen Ochsen schächtet, [ist wie einer,] der einen Menschen erschlägt; wer ein Schaf opfert, [ist wie einer,] der einem Hund das Genick bricht; wer Speisopfer darbringt, [ist wie einer,] der Schweineblut [opfert]; wer Weihrauch anzündet, [ist wie einer,] der einen Götzen verehrt."
Das ist jene Sünde, welche Gott speziell in Seinem Wort verurteilt hat. Ein Gebot unter den Zehn ist seiner Vermeidung gewidmet. Nicht eines all der Zehn enthält eine solche ernsthafte Erklärung von Gottes Charakter, und von Seinen Gerichten gegen den Ungehorsamen: „Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott, der die Schuld der Väter heimsucht an den Kindern bis in das dritte und vierte Glied derer, die mich hassen" (2 Mo 20,5). Nicht eines vielleicht von all den Zehn wird so entschieden wiederholt und verstärkt, und besonders im vierten Kapitel des Buches Deuteronomium. Das ist die Sünde, welche die Juden vor allen anderen vor der Zerstörung von Salomons Tempel am liebsten begangen. Was ist die Geschichte Israels unter ihren Richtern und Königen anderes als eine beklagenswerte Aufzeichnung von wiederholtem Abfallen in Götzendienst? Wieder und wieder lesen wir von den „Höhen" und „falschen Göttern". Wieder und wieder lesen wir von Gefangenschaften und Züchtigungen aufgrund von Götzendienst. Wieder und wieder lesen wir von Rückkehr zu der alten Sünde. Es scheint, als wenn die Liebe zu Götzenbildern unter den Juden natürliches Gebein ihrer Gebeine und Fleisch ihres Fleisches war. Die hartnäckige Sünde der Alttestamentlichen Gemeinde, in einem Wort, war Götzendienst. Angesichts der genauestens ausgedachten zeremoniellen Riten, welche Gott je Seinem Volk gab, wandte sich Israel unaufhörlich zu seinen Götzenbildern ab und betete die Werke von Menschenhänden an.
Das ist die Sünde, vor allen anderen, welche die schwersten Gerichte auf die sichtbare Gemeinde gebracht haben. Sie bracht auf Israel die Armeen der Ägypter, Assyrer, und Babylonier. Sie verstreute die zehn Stämme, verbrannte Jerusalem und brachte Juda und Benjamin in die Gefangenschaft. Sie brachte auf die Ostkirchen in späteren Tagen die überwältigende Flut der moslemischen Invasion, und verwandelte viele geistliche Gärten in eine Wüste. Die Verwüstung, welche regiert, wo Cyprian und Augustinus einst predigten, der lebendige Tod, in welchem die Gemeinden von Kleinasien und Syrien begraben sind, sind alle dieser Sünde zuzuordnen. All zeugen von derselben großen Wahrheit, welche der Herr in Jesaja verkündet: „Ich bin der HERR, das ist mein Name; und ich will meine Ehre keinem anderen geben, noch meinen Ruhm den Götzen" (Jes 42,8).
Lasst uns diese Dinge in unserem Geist zusammenraffen, und gut über sie nachdenken. Götzendienst ist ein Thema, welches, in jeder christlichen Gemeinde, die sich rein halten will, genau untersucht, verstanden und gewusst werden soll. Es ist nicht wegen Nichts, dass Paulus uns das strenge Gebot gegeben hat, „Flieht den Götzendienst."
Copyright dieses aktualisierten und überarbeiteten Manuskripts von 1998 liegt bei Tony Capoccia. Alle Rechte vorbehalten. Tony Capoccia, http://www.bible.com/.