Frage: Ich höre immer öfter den „Ruf, unser Land zurückzuerobern“. Zum Beispiel gab es am 2. September [2000] eine große Versammlung in Washington, DC, die „The Call DC“ genannt wurde. Sie wurde wie folgt beworben: „DER AUFRUF IST ERGANGEN. SCHAREN VON MENSCHEN HABEN DEN AUFRUF ZUM FASTEN UND BETEN IN DC GEHÖRT. Zwei Generationen werden aufstehen und unser Land zurückerobern. Dass ist jetzt revolutionär.“ Ich habe diese Anzeige in den „Global Prayer News“ aus Colorado Springs gesehen. Können Sie sie kommentieren?
Antwort: Zunächst einmal verstehe ich die Formulierung „unser Land zurückerobern“ nicht. Amerika ist nicht das verheißene Land Israel, das Gott Seinem auserwählten Volk gegeben hat. Es gibt keine Schriftstelle, die erklärt, dass Gott Amerika den amerikanischen Christen gegeben hat oder Deutschland den deutschen Christen usw. Auch gibt es in der gesamten Bibel keine Ermutigung, geschweige denn einen Befehl für Christen, irgendein Land auf der Erde zu erobern. Wenn also Christen in der Vergangenheit jemals dieses Land in Besitz genommen haben, so geschah dies ohne die Billigung Gottes. Wir wissen jedoch, dass die Christen Amerika nie besessen haben. Viele ließen sich hier nieder, weil sie die Freiheit der Meinungsäußerung und des Gottesdienstes suchten, aber es gab auch viele nicht-christliche Siedler. Es liegt auf der Hand, dass viele, die die Unabhängigkeitserklärung unterzeichneten, bestenfalls Deisten waren, die sich auf die „Vorsehung“ beriefen, aber weder den einen wahren Gott der Bibel im Sinn hatten noch Christus als ihren Erlöser kannten.
Ich habe die von Ihnen zitierte Literatur nicht gesehen, sondern nur die Überschriften. Ich habe jedoch ähnliches Material gesehen. In der Regel beruht der Aufruf, „das Land zurückzuerobern“, auf der Anwendung der Verheißungen, die Gott Israel gegeben hat, auf die heutige Gemeinde. Als er sagte: „Jeden Ort, auf den eure Fußsohle treten wird, euch habe ich ihn gegeben…“ (Josua 1,3), sprach Er speziell zu den Israeliten über das Land Israel. Er sprach nicht zu den Amerikanern über Amerika, und es ist unangemessen, diese Schriftstelle auf diese Weise anwenden zu wollen.
Ja, Gott sagte: „und mein Volk, welches nach meinem Namen genannt wird, demütigt sich, und sie beten und suchen mein Angesicht, und kehren um von ihren bösen Wegen: so werde ich vom Himmel her hören und ihre Sünden vergeben und ihr Land heilen.“ (2 Chronika 7,14). Mit „mein Volk“ ist jedoch Israel gemeint, und mit „ihr Land“ das Land Israel. Zwar können wir aus dieser Schriftstelle allgemeine Lehren über Gebet und Umkehr ziehen, aber es ist absolut unbiblisch, wenn Christen heute versuchen, diese Verheißung speziell auf sich und das Land, in dem sie leben, anzuwenden.
Folglich sind Märsche auf Washington (oder anderswo) und Gebete, die dazu beitragen sollen, Amerika „zurückzuerobern“, unbiblisch und werden von unserem Herrn nicht honoriert werden. Vielmehr sollte man für eine Erweckung in der Kirche und die Rettung der Seelen vor dem Gericht beten. Die USA hatten Namenschristen als Präsidenten und in vielen anderen hohen Ämtern, ohne dass es in diesem Land insgesamt zu Fortschritten in der Frömmigkeit gekommen wäre. Was die verlorenen Amerikaner brauchen, ist das Evangelium, nicht der Zwang zu einem gottgefälligen Lebensstil, der von „Familienwerten“ und „traditioneller Moral“ geprägt ist. Wenn man alle Amerikaner dazu überreden könnte, nach solchen Werten und Moralvorstellungen zu leben, wären sie immer noch auf dem Weg in den Feuersee und vielleicht sogar noch schwerer mit dem Evangelium zu erreichen, weil sie mit ihrem guten Leben selbstzufrieden sind.
Frage: In seinem Buch erzählt George Mueller, dass Gott Prüfungen benutzt, um unseren Glauben zu stärken. Eine solche Deutung müsste in den [biblischen] Text hineingelesen werden. Das Leben Abrahams (zum Beispiel) beweist, dass diese Vorstellung falsch ist. Sonst wäre Gott ein Kinderschänder!
Antwort: Sie scheinen zu glauben, dass kein Christ mit irgendwelchen Prüfungen konfrontiert werden sollte; oder dass, wenn sie doch kommen, sie nur von Satan kommen können. Aber war es nicht Gott, der Abraham befohlen hat, Isaak zu opfern? Hatte Hiob Unrecht, als er unterwürfig sagte: „Wir sollten das Gute von Gott annehmen, und das Böse sollten wir nicht auch annehmen?“ (Hiob 2,10). Paulus sagt deutlich, dass Gott ihm „ein Dorn für das Fleisch gegeben, ein Engel Satans, auf dass er mich mit Fäusten schlage“, und er erklärt, warum: „Auf dass ich mich nicht erhebe“. Paulus freut sich auch über das gesegnete Ergebnis: „Deshalb habe ich Wohlgefallen an Schwachheiten, an Schmähungen, an Nöten, an Verfolgungen, an Ängsten für Christum; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark“ (2 Kor 12,7.10).
Wenn jemand in Gottes vollkommenem Willen war, dann war es sicherlich Christus. Dennoch musste er viele Prüfungen ertragen und war ein „Mann der Schmerzen und des Leids“ (Jesaja 53,3). In der Tat lernte er „an dem, was er litt, den Gehorsam“ (Hebräer 5,8). Und Christus erklärte, dass die Christen ebenfalls um seinetwillen leiden würden: „Ein Knecht ist nicht größer als sein Herr. Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen“ (Johannes 15,20).
Es gab keinen größeren Apostel als Paulus, und doch litt er „in Schlägen übermäßig, in Gefängnissen überschwänglicher, in Todesgefahren oft. Von den Juden habe ich fünfmal empfangen vierzig Streiche weniger einen. Dreimal bin ich mit Ruten geschlagen, einmal gesteinigt worden; dreimal habe ich Schiffbruch gelitten, einen Tag und eine Nacht habe ich in der Tiefe zugebracht... in Gefahren von Räubern, in Gefahren von meinem Geschlecht, in Gefahren von den Nationen... in Arbeit und Mühe, in Wachen oft, in Hunger und Durst... in Kälte und Blöße“ (2 Korinther 11,23-27).
Diejenigen, die heute das „Wohlstandsevangelium“ predigen, müssen zu dem Schluss kommen, dass Paulus nicht wusste, wie man ein „positives Bekenntnis“ ablegt, sonst wäre er so wohlhabend geworden wie sie. Das Gleiche müsste man auch von den in Hebräer 11 erwähnten Glaubenshelden und -heldinnen sagen, die so schreckliche Prüfungen erlitten. Im Gegenteil, die Prüfungen haben ihren Glauben gestärkt. Denn wie sonst könnte man seinen Glauben beweisen, wenn er nicht auf die Probe gestellt würde? So spricht Petrus davon, „auf dass die Bewährung eures Glaubens, viel köstlicher als die des Goldes… erfunden werde zu Lob und Herrlichkeit und Ehre in der Offenbarung Jesu Christi“ (1 Petr 1,7).
Die Bibel ist buchstäblich von Anfang bis Ende mit den ergreifenden Zeugnissen derer gefüllt, deren Glaube unser gnädiger Herr durch viele Prüfungen gestärkt hat. Vielleicht hat die Vernachlässigung dieses Teils der Heiligen Schrift durch die heutige Kirche zu einer verzerrten Sicht des Glaubenslebens beigetragen.