Heilige wandeln oft alleine | thebereancall.org

Tozer, A W

Heilige wandeln oft alleine

Auszüge aus Der Mensch, die Wohnung Gottes, von A.W. Tozer

Am Morgen der Welt (oder sollten wir sagen, in jener seltsamen Dunkelheit, die bald nach der Morgendämmerung der Schöpfung des Menschen kam), wandelte jene fromme Seele, Henoch, mit Gott, und er war nicht mehr, denn Gott hatte ihn hinweg genommen. Und obwohl es nicht mit vielen Worten dargelegt wird, ist es eine gute Schlussfolgerung, dass Henoch einen Weg wandelte, der ziemlich abseits von denen seiner Zeitgenossen verlief.

Ein weiterer einsamer Mann war Noah, der von allen vorsintflutlichen Menschen Gnade in den Augen Gottes fand; und jeder Beweisfetzen deutet auf die Einsamkeit seines Lebens hin, sogar wenn er von seinen Leuten umgeben war.

Nochmals, Abraham hatte Sarah und Lot, wie auch viele Diener und Hirten, aber wer kann seine Geschichte und die apostolischen Kommentare über sie lesen, ohne sofort zu spüren, dass er ein Mann war „dessen Seele wie ein Stern war und abseits wohnte"? Soweit wir wissen, sprach Gott zu ihm kein einziges Wort in der Gemeinschaft von Menschen. Mit dem Gesicht nach unten kommunizierte er mit seinem Gott und die eigene Würde des Mannes schloss aus, dass er diese Haltung im Beisein anderer einnahm. Wie süß und feierlich war die Szene in jener Nacht des Opfers, als er die Feuerlampen sich zwischen den Opferstücken bewegen sah. Dort alleine, mit dem Schrecken vor großer Dunkelheit auf ihm, hörte er die Stimme Gottes und wusste, dass er ein Mann war, der für göttliche Gunst bestimmt war.

Auch Moses war ein abgesonderter Mann. Während er noch dem Hof des Pharao zugehörig war, machte er alleine lange Spaziergänge, und bei einem davon, als er weit entfernt von den Massen war, sah er einen Ägypter und einen Hebräer, die gegeneinander kämpften, und kam seinem Landsmann zu Hilfe. Nach dem erfolgten Bruch mit Ägypten wohnte er in beinahe vollkommener Abgeschiedenheit in der Wüste. Dort erschien ihm, als er seine Schafe alleine hütete, das Wunder des brennenden Busches, und später auf dem Gipfel des Sinai hockte er sich alleine nieder, um in gebannter Ehrfurcht auf die Gegenwart [Gottes] zu starren, die teilweise in der Wolke und dem Feuer verborgen und teilweise enthüllt war.

Die Propheten der vorchristlichen Zeiten unterschieden sich sehr voneinander, aber ein Kennzeichen, das sie gemeinsam hatten, war ihre erzwungene Einsamkeit. Sie liebten ihr Volk und frohlockten in der Religion der Väter, aber ihre Loyalität zu dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, und ihr Eifer für das Wohl der Nation Israel trieb sie von der Menge weg in lange Perioden von Schwermut. „Ich bin zum Fremden für meine Brüder geworden und ein Ausländer für die Kinder meiner Mutter", rief einer aus und sprach unwissentlich für den ganzen Rest....

Es gibt gewisse Dinge, die anzusehen für jedes Auge, außer für das Auge Gottes, zu heilig sind. Die Neugier, der Tumult, die wohlgemeinte aber ungeschickte Anstrengung, zu helfen, kann die wartende Seele nur behindern und die Kommunikation der geheimen Botschaft Gottes an das anbetende Herz unwahrscheinlich, wenn nicht unmöglich machen.

Manchmal reagieren wir in einer Art von religiösem Reflex und wiederholen pflichtgetreu die richtigen Worte und Sätze, obgleich sie nicht unsere wirklichen Gefühle ausdrücken und nicht die Glaubwürdigkeit persönlicher Erfahrung haben. Genau jetzt ist eine solche Zeit. Eine bestimmte förmliche Loyalität mag manche, die diese ungewohnte Wahrheit zum ersten Mal hören, dazu führen, fröhlich zu sagen, „Oh, ich bin nie alleine. Christus sagte, ‚Ich will dich nicht aufgeben und dich niemals verlassen' und ‚Siehe, ich bin immer bei dir.' Wie kann ich einsam sein, wenn Jesus bei mir ist?"

Nun, ich will mich nicht abfällig über die Aufrichtigkeit irgendeiner christlichen Seele äußern, aber dieses stereotype Zeugnis ist zu gut um wahr zu sein. Es ist offensichtlich das, was nach Ansicht des Sprechers wahr sein sollte, und nicht das, was anhand der Praxis seiner Erfahrung wahr ist. Dies fröhliche Leugnen der Einsamkeit beweist nur, dass der Sprecher nie mit Gott gewandelt ist, ohne Unterstützung und Ermutigung durch die Gesellschaft zu haben. Das Gefühl der Gesellschaft, das er irrtümlicherweise der Gegenwart Christi zuschreibt, rührt ziemlich wahrscheinlich von der Gegenwart freundlicher Leute her. Denk immer daran: In Gesellschaft kann man kein Kreuz tragen. Obgleich ein Mensch von einer riesigen Menge umgeben sein mag, sein Kreuz gehört ihm alleine und dass er es trägt, markiert ihn als einen abgesonderten Menschen. Die Gesellschaft hat sich gegen ihn gewandt; ansonsten würde er kein Kreuz haben. Keiner ist Freund eines Menschen mit einem Kreuz. „Sie alle verließen ihn und flohen."

Der Schmerz der Einsamkeit kommt aus der Beschaffenheit unseres Wesens. Gott machte uns für einander. Das Streben nach menschlicher Gesellschaft ist vollkommen natürlich und richtig. Die Einsamkeit des Christen kommt von seinem Wandel mit Gott in einer gottlosen Welt, ein Wandel, der ihn oft von der Gemeinschaft mit guten Christen wie auch von der mit der nicht wiedergeborenen Welt wegbringen muss. Seine Gott gegebenen Instinkte rufen nach Gemeinschaft mit anderen seiner Art, anderen, die seine Sehnsüchte verstehen können, seine Bestrebungen, seine Hingabe an die Liebe Christi; und weil es innerhalb seines Freundeskreises so wenige gibt, die seine inneren Erfahrungen teilen, ist er gezwungen, alleine zu wandeln. Die ungestillten Sehnsüchte der Propheten nach menschlichem Verständnis, veranlassten sie, in ihrer Klage auszurufen, und sogar unser Herr Selbst litt auf dieselbe Weise.

Der wirklich geistliche Mensch ist tatsächlich etwas Seltsames. Er lebt nicht für sich sondern fördert die Interessen Eines Anderen. Er versucht die Leute zu überzeugen, alles seinem Herrn zu geben und bittet nicht um ein Stück oder Anteil für sich. Er freut sich, nicht geehrt zu werden, sondern dass sein Retter in den Augen der Menschen verherrlicht wird. Er freut sich, wenn sein Herr gefördert und er selbst vernachlässigt wird. Er findet wenige, die gerne über das reden, was der höchste Gegenstand seines Interesses ist, somit ist er oft still und gedankenverloren inmitten von lärmender, religiöser Fachsimpelei. Dafür erntet er den Ruf, schwerfällig und zu ernsthaft zu sein. Deshalb meidet man ihn und die Kluft zwischen ihm und der Gesellschaft verbreitert sich. Er sucht nach Freunden, auf deren Kleidungsstücken er den Geruch von Myrrhe, Aloe und Kassien aus den Elfenbeinpalästen entdecken kann. Da er wenige oder keine findet, bewegt er, wie einst Maria, diese Dinge in seinem Herzen.

Es ist genau diese Einsamkeit, die ihn zurück auf Gott wirft. „Wenn mein Vater und meine Mutter mich verlassen, dann wird der Herr mich aufnehmen." Seine Unfähigkeit, menschliche Gemeinschaft zu finden, treibt ihn an, in Gott zu suchen, was er sonst nirgends finden kann. Er lernt in innerer Einsamkeit, was er in der Menge nicht hätte lernen können, dass Christus Alles in Allem ist, dass Er uns zur Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung gemacht ist, dass wir in Ihm das höchste Gut des Lebens haben und besitzen.

Zwei Dinge müssen noch erwähnt werden. Eins, dass der einsame Mensch, von dem wir reden, nicht ein hochmütiger Mensch ist, und nicht der pharisäische, harte Heilige, der so bitter in der Populärliteratur verspottet wird. Wahrscheinlich fühlt er sich als der Geringste aller Menschen und darf sich gewiss genau für seine Einsamkeit selbst tadeln. Er will seine Gefühle mit anderen teilen und sein Herz manchen gleich gesinnten Seelen öffnen, die ihn verstehen werden, aber das geistliche Klima um ihn ermutigt ihn nicht, so bleibt er still und teilt seinen Kummer alleine Gott mit.

Das zweite Ding ist, dass der einsame Heilige nicht der zurückgezogene Mensch ist, der sich gegen menschliches Leiden gefühllos macht und seine Tage damit verbringt, über die Himmel nachzudenken. Genau das Gegenteil ist wahr. Seine Einsamkeit macht ihn mitfühlend für das Nahen des ganz Gebrochenen und Gefallenen und des von Sünde Geschlagenen. Weil er von der Welt losgelöst ist, ist er um so mehr in der Lage, zu helfen....

Die Schwäche so vieler, moderner Christen ist, dass sie sich zu sehr in der Welt zu Hause fühlen. In ihrer Anstrengung, gemütlichen „Ausgleich" mit der unerretteten Gesellschaft zu erreichen, haben sie ihre Pilgereigenschaft verloren und wurden zu einem wesentlichen Teil genau der moralischen Ordnung, gegen die zu protestieren sie ausgesandt wurden. Die Welt erkennt sie an und akzeptiert sie als das, was sie sind. Und das ist die traurigste Sache, die über sie gesagt werden kann. Sie sind nicht einsam, aber sie sind auch keine Heilige.