Auszug aus dem bald erscheinenden Buch Calvin’s Dilemma: God’s Sovereignty vs. Man’s Free Will – von Dave Hunt
Seit Jahrhunderten war die offensichtliche Spannung zwischen Gottes Souveränität und dem freien Willen des Menschen unter aufrichtigen Christen Gegenstand von Untersuchungen und Diskussionen – und leider von Streitigkeiten. Manche wählten den Ansatz von C.I. Scofield, es gebe zwei Wahrheiten, man müsse beide akzeptieren, könne beide aber nicht in Einklang bringen. „Beide sind völlig wahr, aber die verbindende und versöhnende Wahrheit wurde noch nicht enthüllt.“ Offensichtlich zustimmend deutete James M. Gray, früherer Präsident vom Moody Bibel Institut an, „kein endlicher Verstand könne Gottes… Souveränität und die freie Wirkung des Menschen erfassen… beide gleich zur selben Zeit. Wie notwendig jedoch, dass beide gebührend betont werden!“
Gleichermaßen schrieb William L. Pettingill, „Gott besteht auf Seiner Souveränität und der Verantwortung des Menschen. Glaube und predige beides. Überlasse Ihm die Harmonisierung.“ In ähnlicher Manier erklärte A.T. Pierson, obgleich führender Presbyterianer, sowohl „der souveräne Wille Gottes und die Freiheit des Menschen“ würden in der Schrift gelehrt und „sollten wir diese beiden nicht in Einklang bringen können, liegt das daran, dass das Thema so unendlich höher ist als wir. Der Mensch ist frei…. Somit ist die letzte großartige Einladung in Gottes Buch ein Appell an den Willen.“ R.A. Torrey stimmte zu, wir sollten nicht „versuchen, die deutliche Lehre im Wort Gottes von der Souveränität Gottes und dem freien menschlichen Willen weg zu erklären….“
Leider waren weder Johannes Kalvin noch viele seiner Nachfolger heute willens, beide Seiten dieser biblischen Lehre zu akzeptieren. Das Ergebnis war in seinen Folgen verheerend für das Evangelium: der Mensch kann Christus nur ablehnen; er kann Ihn nicht annehmen und an Ihn glauben, es sei denn, er wird souverän von Gott regeneriert. Der Kalvinismus weigert sich zu akzeptieren, was so viele bedeutende Evangelisten als unverzichtbar erkannt haben. Edgar Mullins drückt die erforderliche, aber fehlende Balance sehr gut aus:
Freier Wille des Menschen ist eine so grundlegende Wahrheit wie jede andere im Evangelium und darf in unseren dogmatischen Aussagen nie gestrichen werden. Ohne ihn wäre der Mensch kein Mensch und Gott raubt uns nie unsere wahre, moralische Menschheit bei unserer Rettung…. Das Gebot der Erlösung muss als Ganzes betrachtet werden, um es zu verstehen. Manche haben alleine auf Gottes Wahl geschaut, und die Mittel und notwendige Entscheidung auf Seiten des Menschen ignoriert.
Ein vorbildlicher, aber falscher Eifer
Kenneth G. Talbot und W. Gary Crampton versichern uns, „Die Souveränität Gottes ist… das grundlegendste Prinzip des Kalvinismus… die Grundlage, auf der alles [einschließlich des Christentums] gebaut ist.“ Loraine Boettner stimmt zu: „Das grundlegende Prinzip des Kalvinismus ist die Souveränität Gottes.“ Dieser Eifer für Gottes Souveränität ist vorbildlich. Kalvinisten haben Gott jedoch fälschlich zur wirksamen Ursache aller Dinge, die geschehen, gemacht: „Egal was in der Zeit getan wird, geschieht nach seinem [Gottes] Beschluss in der Ewigkeit.“ Aber würde ein Heiliger Gott das Böse beschließen, das das Herz des Menschen und die Welt heute füllt? Bestimmt nicht!
Der Kalvinismus verweigert dem Menschen jede wirkliche Entscheidung in Bezug auf alles, was er denkt oder tut. C.H. Spurgeon bezieht sich auf „eine Klasse von willensstarken, vernünftigen Menschen, die die Souveränität auf Kosten der [menschlichen] Verantwortung verstärken.“ Der Kalvinist glaubt fälschlich, könnte der Mensch eine echte Entscheidung treffen, sogar in seiner Rebellion gegen Gott, würde es Gottes Souveränität in Frage stellen. Somit muss Gott die Ursache aller Sünde sein, anfangend mit Adam und Eva. Boettner behauptet, „sogar Adams Fall und durch ihn der Fall der Rasse, geschah nicht zufällig oder aus Versehen, sondern wurde in den geheimen Ratschlüssen Gottes so festgelegt.“ Diese unglückliche Folgerung wird durch ein Souveränitätskonzept bedingt, das weder die Bibel noch die Logik erfordert.
Wir bemerkten das Eingeständnis mancher Kalvinisten, der Mensch sei frei, auf Gott zu reagieren. Zur selben Zeit jedoch erfordert die Lehre der Vollkommenen Verderbtheit, er könne nur negativ reagieren und Gott zuwider handeln. Natürlich ist das überhaupt keine Freiheit. Philip F. Congdon erläutert:
Klassische Kalvinisten mögen über einen „freien Willen“ des Menschen reden, aber es ist eine sehr begrenzte Freiheit! Sprich, jemand entscheidet sich, Christus abzulehnen – alle Leute machen es – aber nur jene, die erwählt sind, werden sich entscheiden, Ihn anzunehmen. Dies ist kein „freier Wille“! Sind die offenen Einladungen in der Bibel, Christus zu vertrauen, tatsächlich grausame Scherze? Ich meine nicht. Sind alle Leute frei, auf den Herrn Jesus Christus als persönlichen Heiland für ihre Sünden zu vertrauen? Ja. Deshalb ist der Aufruf zur Mission so dringend.
Freiheit zu rebellieren aber nicht Buße zu tun?
Wie kann da wirkliche Entscheidungsfreiheit sein, wenn nur eine Entscheidung getroffen werden kann, und noch dazu eine, die ewig verordnet worden ist? Dies „freie Entscheidung“ zu nennen ist Betrug. Das ist jedoch die einzige „Freiheit“, die der Kalvinismus zugestehen kann. Arthur W. Pink zitiert wohlwollend J. Denham Smith, den er als einen „höchst gelehrten Diener Gottes“ ehrt:
Ich glaube an den freien Willen; aber dann ist es ein Wille, der nur frei nach seinem Wesen handeln kann…. Der Sünder kann in seinem sündigen Wesen nie einen gottgemäßen Willen haben. Dazu muss er wiedergeboren sein.
Nirgendwo unterstützt die Bibel solch eine Aussage; und dies ist einer der schlimmsten Irrtümer des Kalvinismus. Waren Abraham und Mose „wiedergeboren“, d.h. regeneriert? Ist das nicht ein neutestamentlicher Begriff? Was meint Smith mit „einem gottgemäßen Willen“? Sogar Christen tun nicht immer Gottes Willen. Ein Wunsch, Gott zu kennen? Bestimmt wird von allen Menschen erwartet, den Herrn zu suchen, solange Er zu finden ist. Gottes Versprechen, er könne von denen gefunden werden, die Ihn suchen, impliziert sicher, dass der Nichtregenerierte Ihn suchen kann.
Es hilft dem Kalvinisten auch nicht zu sagen, der Mensch könne nur einen Willen entsprechend seinem sündigen Wesen und gegen Gott haben und so handeln. Wie könnte es Gottes Willen sein, dass der Mensch sich über Sein Gesetz hinwegsetzt? Wenn man eingesteht, sündige Handlungen kämen aus echter Entscheidungsfreiheit, dann haben wir dieselbe Herausforderung an Gottes Souveränität, die der Kalvinist nicht zulassen kann. Entweder hat der Mensch einen freien Willen, oder alle seine Sünden geschehen nach Gottes Willen. Wie wir gesehen haben ist Letzteres genau das, was Kalvin selbst lehrte und viele Kalvinisten noch glauben. Damit machen sie Gott zum Urheber des Bösen.
War Adams Wesen tatsächlich sündig, obgleich Gott ihn als „gut“ bezeichnete, als Er ihn schuf? Wie sonst, außer durch freien Willen, kann seine Sünde erklärt werden? Der Kalvinist entgeht dem freien Willen, weil er sagt, sogar die Sünde Adams und Evas sei von Gott vorherbestimmt und verfügt worden. Pink argumentiert: „Gott bestimmt alles, was geschieht, vorher. Seine souveräne Herrschaft erstreckt sich durch das gesamte Universum und ist über jedem Geschöpf…. Gott löst alles aus, verfügt alles….“ Warum fordert uns Christus auf, zu beten, „Dein Wille geschehe auf Erden…“, wenn alles bereits Gottes Willen und Verordnung entspricht?
Es ist irrig zu meinen, Gott müsse alles vorherbestimmen und auslösen, um Sein Universum unter Kontrolle zu haben. Die Behauptung, Gott könne nicht vorherwissen und kontrollieren, was er nicht vorherbestimmt, beschließt und verursacht, stellt tatsächlich Seine Allwissenheit und Allmacht in Frage. Auch hier sind Kalvinisten in Widersprüchen gefangen. Ein anderer, führender presbyterianischer Theologe, A.A. Hodge erkannte die schwerwiegenden Folgen dieser extremen Sicht von Gottes Souveränität: „Alles ist weg, wenn der freie Wille weg ist; das moralische System ist weg, wenn der freie Wille weg ist….“ Zur selben Zeit sagte er jedoch: „Vorbestimmung ist eine Tat des… wohlwollenden Willen Gottes, seit der ganzen Ewigkeit alle Ereignisse festzulegen… die geschehen.“
Einer lebenswichtigen Unterscheidung ins Auge sehen
Gott muss die Ursache der vollkommenen Verderbtheit und der negativen Reaktion, die sie hervorruft, sein, damit der Kalvinist seine extreme Sicht der Kontrolle aufrechterhalten kann. Diesem Schluss kann man nicht entrinnen. Sollte Gott nicht die Ursache der Sünde des Menschen sein, dann könnte der Mensch von Gott unabhängig handeln, und das darf im kalvinistischen Schema auf keinen Fall sein. Daraus folgt, „Er [Gott] könne es verhindert haben [den Fall und der Einzug der Sünde in die Welt], aber Er verhinderte es nicht: demzufolge wollte Er es.“ Daher muss man folgern, „Es ist sogar biblisch zu sagen, Gott habe die Sünde vorherbestimmt.“
Die einzige Möglichkeit, Gottes Integrität, Liebe und Erbarmen in einer Welt voll Sünde und Leiden zu verteidigen ist anzuerkennen, dass Er dem Menschen die Entscheidungsfreiheit gegeben hat. Dass Sünde und Leiden die gemeinsame Erfahrung der ganzen Menschheit ist, ist daher Schuld des Menschen und seine freie Entscheidung. Gott hat auf gerechter Grundlage vollständige Vergebung der Sünden gewährt, und wird irgendwann ein neues Universum erschaffen, in das die Sünde nie reinkommen kann – ein Universum, in dem alle leben, die den Herrn Jesus Christus als Retter angenommen haben. Gott ist entlastet und der Mensch alleine hat die Schuld für Sünde und Leiden zu tragen. Das ist die biblische Lehre, wie wir ausführlich sehen werden.
Der Kalvinismus beruht auf einer irrigen Sicht dessen, was souverän für Gott bedeutet. Edwin H. Palmer sagt uns, Gott prädestiniere unzählige Mengen zu ewiger Pein „zum Ruhm Seiner souveränen Macht über Seine Geschöpfe….“ Offensichtlich könnte Gott Seine souveräne Macht über Seine Geschöpfe vielfach anders zeigen als durch den Beschluss ihrer ewigen Verdammnis, ein Schicksal, das Souveränität gewiss nicht erfordert.
Die Bibel lehrt, Gott gab dem Menschen souverän die Macht, gegen Ihn zu rebellieren – ohne Seine Souveränität zu mindern. Der Mensch ist daher alleine für Sünde verantwortlich. Es ist seine Entscheidung, nicht Gottes Beschluss. Grundlegender Irrtum des Kalvinismus ist die Unfähigkeit zu erkennen, dass Gott souverän dem Menschen die echte Entscheidungsfreiheit geben kann und doch die Kontrolle über das Universum behält. Sowohl Souveränität wie freien Willen anzuerkennen würde die eigentliche Grundlage des gesamten kalvinistischen Systems zerstören.
Diese falsche Sicht von Gottes Souveränität ist des Kalvinisten einzige Rechtfertigung, dass Gott nur eine auserwählte Gruppe rettet und den Rest verdammt. Wenn man fragt, wie ein liebender Gott Millionen oder vielleicht Milliarden verderben kann, die Er hätte retten können, lautet die Antwort, „Es gefiel Ihm so“. Wenn man weiterfragt, warum es Ihm gefallen habe, hört man, der Grund sei „im Geheimnis Seines Willens“ verborgen.
Freier Wille schmälert Gottes Kontrolle über Sein Universum nicht. Da Gott allmächtig und allwissend ist, kann Er die Umstände so planen, dass die Rebellion des Menschen Seine Absichten nicht durchkreuzt. Tatsächlich kann Gott den freien Willen des Menschen gebrauchen, um Seine Pläne zu erfüllen. Dadurch wird er sogar noch mehr verherrlicht, als wenn Er alle Taten der Menschen verordnete.
Höre es von Kalvin und Kalvinisten
In seinem Klassiker the five points of calvinism schreibt Palmer, „Obgleich Sünde und Unglaube Gottes Geboten widersprechen (Seinem perzeptiven Willen), hat Gott sie in Seinen souveränen Erlass einbezogen (sie bestimmt, sie verursacht, damit sie geschehen)…. Wie kommt es, dass ein heiliger Gott, der Sünde hasst, nicht nur passiv die Sünde zulässt, sondern auch gewiss und wirksam beschließt, dass Sünde sein soll? Unser unendlicher Gott überreicht uns einige verblüffende Wahrheiten….“
„Verblüffend“ ist das falsche Adjektiv. Was nach Palmers Eingeständnis sogar ihn erstaunt, ein Mann, der diese Lehre dogmatisch verteidigt, ist erschreckend für Nichtkalvinisten, und sogar Nichtchristen. Palmer erläutert diese ungeheuerliche Lehre weiter:
Alles was in der ganzen Welt zu jeder Zeit in der ganzen Geschichte geschieht – ob bei anorganischer Materie, Vegetation, Tieren, Menschen oder Engeln (sowohl guten wie bösen) – geschieht, weil Gott es verordnete. Sogar Sünde – der Fall des Teufels aus dem Himmel, der Fall Adams und jeder böse Gedanke, Wort und Tat in der ganzen Geschichte, einschließlich der schlimmsten aller Sünden, der Verrat Christi durch Judas – ist im ewigen Beschluss unseres heiligen Gottes enthalten.
Wäre Sünde außerhalb des Beschlusses Gottes, dann wäre der riesige Prozentsatz menschlicher Handlungen… aus Gottes Plan weg. Gottes Macht wäre auf Naturkräfte reduziert…. Sünde ist Gott nicht nur im Voraus bekannt, Er hat sie auch vorherbestimmt. Weil Gott sie verordnete, sah Er sie tatsächlich vorher. Kalvin ist dabei sehr deutlich: „Der Mensch will mit einem bösen Willen, was Gott mit einem guten Willen will….“
Für diese Lehre gibt es weder Unterstützung durch die Bibel noch die Vernunft. Gewiss kann Gott in Seiner unendlichen Macht und Vorsehung sogar die rebellischsten Gedanken und Taten der Menschheit in Seinen Plan einpassen. Er ist vollkommen in der Lage, die Pläne des Menschen zu durchkreuzen, zu verhindern oder zu verwenden, um Seinen Willen zu erfüllen. Er kann das tun, ohne die Entscheidungsfreiheit des Menschen zu zerstören. Gott zum Urheber von Sünde zu machen stellt Ihn auf blasphemische Weise falsch dar.
Gott begrenzen
Warum sollte ein unendlich heiliger Gott seine Schöpfung ruinieren, indem er absichtlich Sünde schuf? Warum die komplizierte Geschichte erfinden, „gefallene Engel aus dem Himmel zu werfen“? Warum die Menschheit veranlassen zu sündigen, damit Er ihnen „vergeben“ kann? Wie würde das Gott verherrlichen? Stattdessen wird Gott im Kalvinismus zur Person, die einen Waldbrand entzündet, um ihn zu „entdecken“, zu löschen und ein Held zu sein. Er macht Gott auch zu einem Schwindler, der vorgibt, dass Satan, obschon Gottes gewollte Kreation, Sein Feind war. Wie absurd!
Doch die Kalvinisten halten sich hartnäckig an diese unbiblische und irrationale Lehre, die ihrer Vorstellung nach Gottes Souveränität verteidigt, sie aber tatsächlich verringert: „Wenn Gott nicht alle Dinge vorherbestimmte, dann konnte Er die Zukunft nicht kennen. Gott sieht alle Dinge vorher und weiß alles, weil Er alle Dinge verordnete.“ Im Gegenteil, Gott muss menschliche Gedanken und Taten nicht verordnen, um sie vorherzusehen. Er weiß alles im Voraus, weil Er allwissend ist.